Achtsamkeit und der Reality-Check

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Es gibt unterschiedlich lange Augenblicke, in denen im Kopf nur ein bestimmter Gedanke präsent und machtvoll ist. Dabei ist er in seiner Intensität so einnehmend, dass er die üblichen neutralen Gedanken im Kopf völlig verdrängt.
Wie ein schwarzes Loch, dass alles in sich einsaugt, so saugt dieser Gedanke die ganze Aufmerksamkeit in sich ein und es gibt nur noch diesen einen Gedanken.

Ein mentales Gefängnis par excellence.

Es ist hilfreich ganz gewisse Dinge gründlich zu durchdenken oder zu überdenken.
Aber das immer mit einer gewissen Absicht und ganz bewusst.

Wenn aber dieses schwarze Loch in unserem Geist existiert, sitzen wir in diesem mentalen Knast und schauen durch die Gitterstäbe dieses einen Gedankens.
Wir starren auf die Gefängnismauer unseres eigenen Geistes und fühlen uns eingeengt in einer kleinen Gefängniszelle und sehnen uns nach Freiheit.
Diese vermeintlichen Gitterstäbe sowie diese beschränkte Aussicht auf die gegenüberliegende Gefängnismauer sind sowas von irreal und real gleichzeitig.
Das Reale dahinter ist, dass wir dieses Gefühl kennen, das diesen Gedanken entspringt.
Es ist uns bekannt und vertraut. Auch wenn wir es nicht mögen.

Um bei dem Bild des Gefängnis zu bleiben:
Wir finden in diesen Momenten keinen Fluchtweg.

Hier kann folgende Übung helfen:

Es sind einfache, kleine aber wirkungsvolle Fragen, die du dir stellen kannst:

  • Was ist gerade real? Wo bist du gerade? Dein Zimmer, dein Auto, deine Kollegen, deine Arbeit, dein momentanes Tun?

  • Atmest du frische Luft? Wie fühlt sich das an, das Atmen? Was bemerkst du? Wie schmeckt/riecht die Luft? Welche Temperatur?

  • Kannst du dich bewegen ohne Schmerz? Wie spürst du dich? Wo spürst du deinen Körper?

  • Was hörst du? Vögel, Autos, Kirchenglocken, Windrauschen, Musik?

  • Habe ich körperliche Schmerzen?

  • Ist mein Kühlschrank voll?

  • Habe ich genug Geld, um zu tanken?

  • Kann ich mit jemand kurz darüber reden?

Das sind die bewährten und wirkungsvollen aus der Achtsamkeitspraxis abgeleiteten Sofortmaßnahmen zur Gegenwärtigkeit und zur Präsenz des Augenblicks.

Hier kannst du aufhören, wenn du willst und so gut es geht deinen Alltagsgeschäften nachgehen.

Du kannst aber auch weiter gehen!

Erlaube dir einmal dem Gefühl nachzuspüren, was dieser Gedanke in dir auslöst.

Wenn du das nächste Mal von einem Gedanken so dominiert wirst, dass du kaum eine Möglichkeit siehst, etwas anderes zu denken, halte inne. Am besten setze dich auf deinen Platz, wo du meditierst. Gib dir Zeit und beobachte für einen kurzen Moment die Emotion, die in dir durch den Gedanken hervorgerufen wird.
Lass zu, dass diese Emotion für einen kurzen Moment da sein darf.
Und beobachte. Auch wenn es weh tut. Und benenne es: Wut, Angst, Trauer, Scham, Verlassenheitsangst, was immer es ist, sitze für einen Moment damit. 

Sei ein gütiger Zeuge von dem, was du gerade in deinem Inneren beobachtest. Es ist da.
Du trägst es ja mit dir. Und jetzt hast du die Möglichkeit, es einmal anzuschauen und ihm Hallo zu sagen.
Ihr müsst ja nicht direkt Freunde werden. Aber ihr sitzt im selben Boot.

Sonst macht es, was es will und
du machst nicht, was du willst!

Normalerweise wollen wir dieses Gefühl immer direkt weg haben, verbannen, bekämpfen, betäuben, klein machen, unterdrücken. Das sind Kriegsmaßnahmen. Wir brauchen aber Dialog und Diplomatie in unserem Inneren. Anerkennung, dass es da etwas gibt.
Etwas, was wir mit erschaffen haben. Warum auch immer. Das Warum interessiert aber keinen. Es interessiert nur, wie wir damit konstruktiv und friedlich umgehen. Lösungsorientiert. Dialogisch.
In dem wir es anerkennen und anschauen, treten wir in Kontakt mit einem Teil von uns, der geheilt werden will.