Achtsamkeit & Heimat

Lesedauer 2:30 Minuten

Dieses Jahr offenbart sich mir als ein recht turbulentes und durchwachsenes Jahr. Einige herausfordernde Situationen, mit denen ich mich konfrontiert sah, haben meinen Plänen und sicher geglaubten Konzepten völlig den Boden entzogen. Gewissheiten, von denen ich glaubte, dass sie bombensicher seien, entpuppten sich als fragile und sehr instabile Gebilde. In manchen Momenten war es schwierig, Zuversicht und Optimismus aufrecht zu erhalten.

Ein Element, was mir durch diese Zeiten hilft, ist mein Zu Hause, meine Heimat. Ich bin ein ortsgebundener Mensch. Obwohl mein Heimatort nicht der Ort ist, an dem ich aufwuchs. Aber es gibt da diesen einen Ort, der für ich das perfekte Sinnbild von Sicherheit darstellt. Mein Heimatort. Mein Safe Place. Und tatsächlich ermöglicht mir dieser Ort, inmitten all der Herausforderungen, die das Leben mir schenkt, eine innere Stabilität aufrecht zu erhalten und darüber hinaus auch weiter zu kultivieren. Es gibt diesen schönen Begriff von ZUHAUSIGKEIT. Dieses Wort stellt für mich die perfekte Symbiose von Heimat und sich zu-Hause-fühlen dar. Und wenn ich hier in erster Linie von dem physischen Ort spreche, der dazu auch noch so ganz mir entspricht, da ich ihn selber gestaltet habe, so sind doch hier in meiner Nähe auch meine Familie, die mir ein Gefühl von Angenommen-, Angekommen- und Richtig-Sein vermitteln.

Achtsamkeit & Heimat:

Was diesen Ort so einzigartig sicher, zuhausig und cosy macht, sind all die kleinen Details.
Das Läuten Kirchenglocken alle 15 Minuten, das Geräusch der Autoreifen auf dem Kopfsteinpflaster, das Vogelgezwitscher im Garten, die immer wiederkehrende Stille, der Anblick der Rapsfelder im Mai, der Nebel über den Feldern, die Sprache der Menschen, der Gestank der Gülle auf den Feldern, die verdreckten Straßen nach der Zuckerrübenernte im Herbst, der in der Sonne glänzende Raureif an den Bäumen im Winter, der erleuchtete Turm des Münsters und noch vieles mehr.

Umso größer mein Mitgefühl für die Menschen, die ihr Zuhause durch die Unwetterkatastrophe verloren. Wie ergeht es den Menschen, denen über Nacht ihre Existenz, ihr Zuhause wegschwimmt? Oder wie fühlt es sich für die sogenannten afghanischen Ortskräfte an, die sich jetzt gezwungen sehen, ihr Zuhause, ihre Heimat zu verlassen? Wie muss es Menschen ergehen, denen der Hunger das Gefühl von Zuhause oder Heimat wegfrisst und die sich deswegen auf den Weg der Flucht begeben?

Kloster Schweinheim, wo ich meine Seminare gebe, ist stark betroffen von der Flutkatastrophe. Der Steinbach, dieses kleine Rinnsal, hat das ganze Tal überflutet, solide Brücken und Mauern zerstört und stand ca. 1,5 Meter im Erdgeschoß der Klosteranlage. Der Boden des Refektoriums ist rausgerissen, um erneuert zu werden. Die Wände zum Sanitärbereich werden jetzt rausgerissen, weil die Flut sie zerstört hat. Alle Seminare sind bis zum Jahresende abgesagt.

Was mich stark beeindruckt hat war, dass die Betreiber des Klosters nach dem ersten Schock die Arme hochkrempeln und alles wiederaufbauen. Sich nicht entmutigen lassen. An ihrer Vision festhalten. Sagen, dass sie froh sind, mit dem Leben davongekommen zu sein und jetzt zuversichtlich nach vorne schauen.

Heimat, Zugehörigkeit, Zuhausigkeit, ob  orts- oder menschengebunden ist eine starke Kraft, die sowohl aufbaut als auch bei Verlust Heimweh hervorruft.