Mittwoch, 26.08.2015
Jetzt sind wir schon drei Tage gemeinsam unterwegs und heute trennen sich unsere Wege. Wie schnell die Zeit vergeht – kaum zu glauben. Wir gehen noch gemeinsam in eine Bäckerei und zu einem Spar, versorgen uns für den Tag und genießen anschließend in einem netten Straßencafé unseren letzten gemeinsamen Frühstückskaffee.
Hier kann man als Pilger mehrere Routen auswählen – ist ja auch nett.
Nach einer herzlichen Umarmung an genau dieser Stelle, gehen wir dann getrennte Wege. Etwas komisch ist mir schon, denn ich habe das gemeinsame Gehen entgegen meiner Vermutung als sehr angenehm und bereichernd empfunden. Aber was soll´s.
Es ist ein sonniger Tag und ich gehe in herrlichstem Sonnenschein gut gelaunt aus Toul raus. Kurz vor der Kaserne führt die Beschilderung in eien andere Richtung als die im Pilgerführer angegebene und ich folge den Zeichen, was sich als falsch heraustellt. Der Weg führt nach Vezelay und als ich umkehre, kommt mir tatsächlich Bruni entgegen, denn es ist ja ihre Route. Wir verabschieden uns nocheinmal und dann bin ich endlich auf meiner Spur und folge ab jetzt nur noch meinem Bauchgefühl. Es gibt ab jetzt keine Wegzeichen mehr und ich folge dem Pilgerführer entlang des Soldatenfriedhofs.
Ich gehe auf der ROUTE DE VIN ET DE MIRABELLES und es scheint, dass es eine Teertret-Etappe wird. Hier begegene ich einem Radfahrer aus Bonn, der von Metz bis Barcelona fährt. Wir halten einen kurzen Plausch. Auch eine interessante Route. Hinter Mont le Vignoble komme ich an einem nicht umzäunten Mirabellenbaumfeld vorbei und sehe die gelb-violetten Früchte auf dem Boden liegen.
Ich springe über den Straßengraben und probiere. Und wie mein Exkollege Frahm immer sagte: Mein Gaumen wird zu einer Kathedrale. SOO LECKER! SO SÜSSS!!! SO VOLLMUNDIG!! Habe mich natürlich direkt vollgefuttert und eine ganze Plastiktüte vollgemacht. Today ist Mirebellenday. Nach 17 km raste ich in Bulligny, wo ich an einer Haustür klopfe und bei einer älteren Dame meine Wasserflaschen aufgefüllt bekomme. Ich mache eine halbe Stunde Pause, bevor es bei 32 Grad auf Asphalt weitergeht.
In Bagneux bekomme ich bei der Sekretärin vom Bürgermeister meinen Stempel und fülle noch mal Wasser nach. Hier ist auch mal wieder ein Wegweiser:
Nach Bagneux geht es auf die alte Römerstraße: Teer und nur geradeaus.
Eine leichte Probe für meine Psyche. Es ist abzusehen, dass das wieder eine Ü30-er-Etappe wird und meine Beine und Füße machen sich bemerkbar. Mein Pilgerführer sagt mir, dass ich gleich an einem Cart-Center vorbeikomme, wo es Eis und kalte Getränke gibt. ICH WILL EIN EIS! Und als ich dort ankomme, sehe ich dass da jemand gerade aufschließt. Ich frage ihn ob er Eis hat. NEIN: Er sagt nein. Pas de Glace. Der Franzose! Naja, Pech gehabt. Weiter geht´s.
Hoffentlich gibt´s eine Bäcker oder einen Laden in Autreville!! Aber nix da. In Autreville gibts nix. Nur einen Friedhof mit Wasserhahn (nicht selbstverständlich – in Blenod-les-Toul habe ich vergeblich danach gesucht) und mein Hotel. Autreville ist ein ödes Kaff und es führt die N74 mittendurch.
Aber ich bin ja froh, dass ich dort unterkomme. So gegen 16:00 Uhr erreiche ich mein Ziel und wie abgesprochen, kann ich im Garten warten und entspannen. Ich schreibe und relaxe in der Sonne.
Um halb 6 kommen Madame und Monsieur und begrüßen mich ganz herzlich. Madame spricht deutsch, was schon mal alles sehr vereinfacht. Sie zeigt mir mein Zimmer. 35€. Mehr ist es auch nicht wert.
Abendessen 20 € auf der Terasse um 19:00 Uhr lautet die Ansage und in Anbetracht der Tatsache, dass ich keine Wahl habe, sage ich notgedrungen zu. Ich beziehe mein Zimmer und genieße den etwas morbiden Charme des Hauses. Ich habe eine Dusche auf dem Zimmer und wenn ich zur Toilette möchte, muss ich quasi in den anderen Gebäudeteil. Dort ist das WC in einem Schlafzimmer, abgetrennt durch einen Paravent. Also ich möchte nicht in einem Klo schlafen. Anyway.
Um 19:00 sitze ich frisch geduscht auf der Terasse. Trotz der Schnellstraße ist es erstaunlich ruhig. Um kurz nach 19:00 Uhr kommt Madame und fragt, was ich trinken möchte. Ich gönne mir als Aperitif einen Ricard.
Es ist ein herrlicher Abend. Gerade läuten die Kirchenglocken und im Nachbargarten läuft ein Pferd auf und ab. Ich bin einigermaßen erschöpft und wohlig entspannt und freue mich auf´s Essen. So langsam kehrt die mir bekannte Ruhe beim Pilgern ein. Ich bin froh, dass ich wieder allein unterwegs bin. Das soll keinesfalls die herzliche Begegnung mit Bruni schmälern, aber ich bin losgegangen um alleine zu pilgern. Ich habe dennoch viel durch die Begegnug mit ihr gelernt. Wahrscheinlich war es genau richtig, dass sie mir begegnet ist, denn ich war echt schlecht vorbereitet.
Und jetzt kommt das kulinarische Highlight meiner diesjährigen Jakobstour. Es folgt eine kleine Session aus der Abteilung Foodporn:
Wir starten mit der Vorspeise: eine hausgemachte Hühnersuppe mit einer getoasteten Scheibe Baguette und vereistem Knoblauchfrischkäse, der sich so langsam in der Suppe auflöst und so der Suppe einen zunehmend schärferen Geschmack beschert.
Als zweite Vorspeise, mittlerweile trinke ich auch einen guten französischen Rotwein, kommt ein Salat, frisch aus dem Garten, mit einer vorzüglichen Leberpastete, 2 Scheiben Chorizo, einer Scheibe französischem und einer Scheibe Iberico-Schinken.
Als Hauptgang serviert mir Madame Filet Mignon mit Backofenkartoffeln und einer Scheibe frittierten Süßkartoffelpurree. Wenn ich jetzt noch daran denke kriege ich den Megageschmacksorgasmus. Ich bin voll im Hier und Jetzt. Ich kann gar nicht anders. Das ist Genuß pur.
Zur Nachspeise wird mir dann ein Stück Kuchen gereicht, gefüllt mit in Rum eingelegten Rosinen und Aprikosen, dazu eine Kugel Vanilleeis und eine halbe eingelegte Aprikose.
Ich stelle mir die Frage, wie man bei so einem Essen überhaupt reden kann. Dann geht einem doch der ganze Genuss verloren. Ich bin in diesem Moment froh, dass ich allein am Tisch bin. Ich habe das echt selten, dass ich so ins Essen eintauchen kann und eine Mahlzeit von 19:15 bis 21:00 Uhr dauert. Merci Madame Catherine Loeffler!!!
Hier die Daten des Tages:
Die zurückgelegte Distanz an diesem Tag: 31,61 km
Positiver Höhenunterschied: 466 m
Negativer Höhenunterschied: 348 m
Zeit in Bewegung: 5:49:36
Verstrichene Zeit: 7:40:32
Ø Geschwindigkeit: 5,4 km/h
Danke, dass Sie meinen Blog lesen und Buen Camino wünscht Joachim Müller
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