Dies ist ein Artikel aus meinem Blog, den ich schon im August 2011 geschrieben habe. Hier in einer upgedateten Version.
Pilgern ist der direkte Weg zum eigenen Selbst. Alles oberflächliche, vermeintlich wichtige, was den Mensch in seiner normalen Welt umgibt, fällt beim Pilgern Schritt für Schritt ab. Beim Pilgern sind Sie ganz auf sich zurückgeworfen und kommen mit sich selber wieder in direkten Kontakt. Ob Sie wollen, oder nicht. Sie kommen in Grenzsituationen, wo Sie möglicherweise denken: Was mache ich hier eigentlich? und auf der anderen Seite haben Sie kleine Erleuchtungserlebnisse oder AHA-Effekte, wo es in Ihnen denkt: WOW!!!! Auf jeden Fall kommen Sie beim Pilgern wieder ein Stück näher zu Ihrem eigentlichen So-Sein. Das gibt enorm viel Kraft und Zuversicht. Ideal zur Standortbestimmung für das eigene Ich und den möglicherweises daraus resultierenden Richtungskorrekturen für Ihr zukünftiges Leben.
Das habe ich schon mal 1999 erlebt, als ich mit einer Gruppe in eineinhalb Monaten fast ganz Deutschland von Ost nach West durchquert habe und jetzt vor kurzem wieder, als ich, gerade an den heißesten Tagen des Jahres, durch die Vulkaneifel gelaufen bin.
Haus Königssee |
Die Vulkaneifel ist wunderschön und den ersten Teil meiner Etappe bin ich mit meinem Freund Andreas von Oberdürenbach gegangen. Unser Startpunkt war das Haus Königssee (siehe Foto)
Zuerst sind wir auf einem Teilstück des Jakobswegs an der Burg Ohlbrück vorbei über Hain bis zum Galenberg (7,4 km) gegangen, wo wir den Jakobsweg verlassen haben. Weiter ging´s auf dem Vulkanweg, bis zum „Stumpich Kreuz“ (12,1 km),
Wegweiser am Stumpich Kreuz |
wo wir auf den Rhein-Rureifel-Weg in Richtung Weibern abgebogen sind. Diesen Weg haben wir bis Kempenich (21 km) nicht verlassen, wo wir einmal, dank iphone, eine kurze Wegfindungsirritation ausmerzen konnten. Alles in allem war diese erste Etappe mit Andreas ein wunderbarer Samstag mit vielen wertvollen Gesprächen und auch Phasen des brüderlichen Schweigens.
Die zurückgelegte Distanz an diesem Tag: 21 km
Positiver Höhenunterschied: 745 m
Negativer Höhenunterschied: 621 m
Min. Höhe 274 m
Max. Höhe 585 m
Endlich in Kempenich angekommen, habe ich nach einer kurzen Stärkung den Weg begonnen. Meine erste Station an diesem Tag war nach einem Kilometer das „Kreuzwäldchen“ http://www.kempenich.de/Freizeit/kreuzw.php wo ich kurz innehielt und in einem kleinen Ritual die Absicht meines Pilgerwegs deklariert habe. Weiter ging es dann Richtung Hohenleimbach (4,9 km) und Jammelshoven (8,9 km). Kurz hinter Hohenleimbach stand mir erst mal eine Kuh im Weg, was mir erst mal ein komisches Gefühl gemacht hat, äh… 21 % Angst gemacht hat. Die Viecher sind ja schon riesig und dieses befreite Exemplar hat mich mit ihren riesigen Augen gnadenlos fixiert ,-). Als ich dann langsam an ihr vorbeigehen wollte, hat diese Kuh auch noch einen Satz gemacht und da ist mir klar geworden, dass sie genausoviel Angst vor mir hatte, wie ich vor ihr.
freiheitsliebende Kuh |
Nach einem kurzen Telefonat mit einer Frau aus Hohenleimbach, die mir versprach sich um die Kuh zu kümmern, bin ich dann beruhigt weitergelaufen. Ab da ging es erst mal stetig bergan und ab Jammelshofen bis zur Hohen Acht, dem höchsten Berg in der Eifel, war mein T-Shirt komplett durchnässt.
T-Shirt nach 9,6 km |
Dafür konnte ich am Kaiser Wilhelm Turm (9,6 km), der auf diesem höchsten Berg steht ,
722 m über NN, eine wunderbare Rast einlegen.
Kaiser Wilhelm Turm |
Während meiner Pause hatte ich die Gelegenheit mich mit zwei netten Wanderern über Wanderwege, Wanderführer und Wandern im allgemeinen auszutauschen. Ein halber Tag war vergangen und ich war schon in einer heiteren und gelösten Stimmung und hatte keinerlei Schwierigkeiten mit diesen Menschen in Kontakt zu kommen. Übrigens waren das die ersten Menschen, denen ich bis dahin auf meinem Weg begegnet bin. Nachdem mein T-Shirt wieder einigermaßen trocken war, bin ich zu einem langen Abstieg weiter in Richtung Adenau (16,8 km, 275 m über NN) aufgebrochen.
Weg nach Adenau |
In Adenau bin ich dann auf die Vulkanrad-Route abgebogen und nach Leimbach (19,4 km) weitergegangen und von dort aus nach (Gilgenbach 21,4 km), wo ich mir das Haus angeschaut habe, in dem wir mit der Gruppe auf der Pilgerwanderung übernachten. Es ist ein TRAUM!!!
wunderbare Ferienwohnungen |
Die zurückgelegte Distanz an diesem Tag: 21,4 km
Positiver Höhenunterschied: 623 m
Negativer Höhenunterschied: 770 m
Min. Höhe 267 m
Max. Höhe 723 m
Da dieses wunderbare Haus mit 2 fantastischen Ferienwohnungen zum Zeitpunkt meiner Wanderung von einer sehr freundlichen englischen Familie bewohnt wurde, ging ich wieder 2 Km zurück nach Leimbach, wo ich im Motoradhotel Onroad übernachtet habe. Daniela und ihr Mann haben mir dann am nächsten morgen ein oppulentes Frühstück zubereitet und ich habe die herzliche und familiäre Stimmung dort sehr genossen.
Gut gestärkt bin ich bei schönstem Sonnenschein zur dritten Etappe aufgebrochen.
Morgenstimmung |
An diesem Morgen bin ich erst mal 6 km schön sanft und stetig bergauf gewandert. Erst entlang einer kleinen Landstraße die in einem befestigten Waldweg überging, vorbei an sattgrünen Wiesen und durch Mischwald, bis ich nach 3,7 km wieder auf den Karl-Kaufmann-Weg gestoßen bin. Wie schon am Tag davor, ist mir erst mal kein Mensch begegnet und so war ich allein in der Natur, konnte den Geruch des frisch geschnittenen Grases, den Geruch des Waldes, die aufgeregten Schreie der Eichelhäher ohne äußere Filter wahrnehmen. Allmählich wurden auch meine Gedanken ruhiger und ich war entspannt in meinem Rhythmus.
Ich bin froh, dass die Eifel ein so stark bewaldetes Gebiet ist, denn ab 10:00 Uhr begann die Sonne erbarmungslos zu bruzzeln und es war wie am Vortag auch noch ziemlich schwül. Ich hatte mir, glaube ich, die heißesten Tage des Jahres zum Wandern ausgesucht. Dafür wurde ich mir herrlichen Aussichten belohnt
Freude |
Weite |
Sanftheit |
Weitblick |
Auf dieser 3. Etappe am zweiten Tag meiner Solo-Pilgertour konnte ich eine wichtige Erkenntnis für mich gewinnen. Da ich von Natur aus ein innerlich eher gehetzter Typ bin, wurde mir an diesem Tag ganz klar vor Augen geführt, was dieses Gehetztsein mit mir im Außen macht. Ich hatte an diesem Tag ein gutes Tempo vorgelegt und war bis Ahrbrück, ohne nenenswerte Pause unterwegs. Meine Laune ging so langsam in den Keller (Unterzuckerung) und mein Wasservorrat so langsam zur Neige. Angekommen in Ahrbrück musste ich einen Umweg von 2 km in Kauf nehmen und zu einer Tankstelle laufen um meinen Wasservorrat aufzufüllen. Beim nächsten Mal werde ich auf jeden Fall spätestens nach 10 km eine Pause einlegen und für diese Etappe viel Wasser mitnehmen. Die Strecke führt tatsächlich erst mal 18 km lang durch unbewohntes Gebiet. Ich hoffe, dass ich die Wichtigkeit von Pausen, auch in meinem Alltag, mehr würdige.
Nachdem ich an der Tankstelle bei Ahrbrück meinen Wasservorrat aufgefüllt hatte, wollte ich endlich eine wohlverdiente Rast einlegen. Wieder zurück auf meinem eigentlichen Weg von Ahrbrück Richtung Altenahr ging es einen steilen Anstieg zur Sylvester-Hütte hoch, wo ich endlich einen Platz gefunden habe um in Ruhe etwas zu essen und mich eine Stunde im Schatten auszuruhen.
Mahnmal für eine mittelalterliche Hinrichtungsstätte an der Sylvesterhütte |
Ausgeruht und nicht mehr hungrig ging es dann noch mal ca. 2 km bergan und dann wurde ich mit einer grandiosen Aussicht in s Ahrtal belohnt.
Aussicht ins Ahrtal |
Aussicht ins Ahrtal |
Aussicht ins Ahrtal |
Der anschließende Abstieg auf kurvigen Waldpfaden nach Altenahr zog sich dann 3 km hin und ich war froh, als ich unten ankam. Auf Nachfrage bei einem netten Mensch fand ich eine Abkürzung zur Jugendherberge in Altenahr, die nämlich genau auf der Strecke liegt, die ich am nächsten Tag zu Wandern beabsichtigte. Dort angekommen habe ich mir erst mal ein alkoholfreies Weizen gegönnt was ich ganz OK fand nach 24,66 km. Von hier aus, war es nicht mehr weit bis zu meinem Etappenende.(Foto: auf dem Weg von der Jugendherberge zu meinem Hotel)
auf dem Weg zum Hotel |
Die zurückgelegte Distanz an diesem Tag: 25,76 km
Positiver Höhenunterschied: 839 m
Negativer Höhenunterschied: 973 m
Min. Höhe 169 m
Max. Höhe 614 m
Der vierte und letzte Abschnitt meiner Solo-Pilgerwanderung begann hinter dem Jugenherbergsgelände mit einer 90 stufige Treppe
die Treppe hinter der Jugendherberge |
und hat mir danach den härtesten und steilsten Anstieg dieser Tour beschert, 234 Höhenmeter auf 1,5 km. Das war steil und an der Stelle, wo das Foto entstand habe ich mich auch erst mal ausgeruht.
nach dem Aufstieg |
Weiter gings dann auf dem Ahr-Venn-Weg in Richtung Sinzig und wieder einmal war ich stundenlang für mich ganz allein. Diesmal habe ich nach ca. 10 km eine Rast eingelegt und
Schutzhütte Martinskreuz |
da waren dann auch schon 1,5 Liter Wasser weg. Dem Ahr-Venn-Weg folgend bin ich durch Rammersbach abwechselnd durch Wald und Felder gewandert und habe die Gelegenheit bekommen ein junges Reh ganz aus der Nähe fotografieren zu können.
das kommt, wenn man sich achtsam bewegt |
Nach 15,5 km bin ich wieder auf den Jakobsweg gestoßen, der mich wieder nach Oberdürenbach geführt hat.
wieder auf dem Jakobsweg |
Von dort führt der Weg noch ein letztes Mal in ein Tal nach Schalkenbach und so musste ich noch einen letzten moderaten Anstieg von 2 km bewältigen um dann entspannt nach Oberdürenbach zu wandern.
hinter Schalkenbach und vor Niederdürenbach |
Alles in allem war diese letzte Etappe trotz des enormen Anstiegs am Anfang und zweier Blasen die für mich einfachste Etappe. Nach 5 h 43 min. habe ich Haus Königssee erreicht.
Die zurückgelegte Distanz an diesem Tag: 20,81 km
Positiver Höhenunterschied: 690 m
Negativer Höhenunterschied: 475 m
Min. Höhe 168 m
Max. Höhe 527 m
Mein Fazit, dass ich aus dieser Solo-Pilgerwanderung ziehe, lautet:
Pilgern und besonders Pilgern mit einer klar deklarierten Absicht hat den Effekt, dass die Dinge wieder in Balance kommen. Das Unterwegs-Sein mit sich selbst, die fast völlige Abwesenheit von ablenkenden und zerstreuenden Dingen, das Gehen durch die grandiose Natur der Eifel, der entschleunigende Effekt des Wanderns und das Abgeben von Problemen durch die Füße an die Erde und das „Durchgehen“ durch Widerständen haben zu einer Klarheit und Zufriedenheit geführt, die ich in meinem „normalen“ Alltag so nicht erreicht hätte.
Machen Sie es gut und haben Sie eine gute Zeit.
Ihr Joachim Müller
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