Achtsamkeit & Angst

Wieso eröffne ich eine Kolumne über Achtsamkeit ausgerechnent mit diesem Thema? Weil es gerade schön in die Jahreszeit passt? Eher nicht! Depression wäre jetzt viel besser. Außerdem korreliert diese Thematik kein bisschen mit dem aktuellen medialen Höhenflug der Achtsamkeit.
Da geht es vordergründig um Entschleunigung, Stressreduzierung, Selbstmitgefühl, Business und Selbstoptimierung.

Aber dennoch! Warum den Fokus der Aufmerksamkeit mal nicht auf dieses Gefühl richten?

Angst hat einen Anspruch auf Achtsamkeit!

Warum? Weil kein Mensch Angst haben will, aber jeder Mensch mehr oder weiniger Angst hat. Hier liegt das Problem. Die meisten tun alles, um ihr zu entfliehen. Hier geht es jetzt nicht um Angststörungen im pathologischen Sinne. Es geht um diese kleinen und zahlreichen, graduell unterschiedlich ausgeprägten Alltagsängste. Davor, nicht den perfekten Artikel zu schreiben, nicht zu genügen, die Kinder nicht richtig zu erziehen, nicht genügend Geld zu haben, vor dem Alter, vor Jobverlust, vor dem Chef, nicht geliebt zu werden, Angst vor Einsamkeit.

Wir wachsen in einer Gesellschaft auf, in der Angst haben nicht OK ist und in der wir keinen angemessenen Umgang erlernen, mit ihr umzugehen. So entwickeln wir wir grandiose Verdrängungsmechanismen, um sie nicht zu spüren: Shoppen, TV, Alkohol, Sport, Esoterik.

Unser hektisches Leben erlaubt es uns nicht, sich innerlich einen kurzen Moment zurückzuziehen, sich selbst zu betrachten, geschweige denn in sich hineinzuspüren. So wird uns im hektischen Strudel unseres Lebens nicht bewusst, wie ferngesteuert wir uns diesen Fluchtmechanismen ausliefern.

Hier zeigt sich der Benefit der Achtsamkeit.

Sie ermöglicht es uns, aus einer Beobachterrolle den Blick auf uns zu werfen. Dabei offenbaren sich Schicht um Schicht unsere Mechanismen, ohne dass wir das Entdeckte bewerten oder verurteilen. Achtsamkeit geht sogar einen Schritt weiter. Sie lädt uns ein, die Angst anzunehmen. Den Mut zu haben, sie einmal genau zu betrachten und nicht zu analysieren (Never underestimante the power of a thinkin brain!). Wohlwollend. Mit der inneren Haltung, dass es ok ist, so wie es ist. Dass sie da sein darf. Dass man sich ihr ganz offen zuwenden kann, ohne etwas Schlimmes zu befürchten. Ihr „Hallo!“ sagen. Dabei auf die Körperempfindungen achten und wahrnehmen, wo sich was im Körper wie anfühlt. Hört sich zuerst unheimlich an, aber wenn wir auf diese Weise die Angst wahrnehmend entdecken, zeigt sich, wie sich das Gefühl verändert und wir Schritt für Schritt eine andere Beziehung zur ihr entwickeln.

Dann haben wir keine Angst mehr vor der Angst!